Forschung

„Rechtsextremismus, Rassismus und Demokratiefeindlichkeit: Forschung und wissenschaftliche Weiterbildung“ im Demokratiezentrum Hessen (seit 2022)

Am Demokratiezentrum Hessen an der Philipps-Universität Marburg wurde 2022 erstmalig ein neuer landesweiter Forschungsbereich zu den Themen Rechtsextremismus, Rassismus und Demokratiefeindlichkeit eingerichtet. Er wird vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst finanziell gefördert. Ziel der Einrichtung am Demokratiezentrum ist es, die wissenschaftliche Arbeit im Bereich Rechtsextremismus und Rassismus in Hessen zu stärken. Schwerpunkte sollen die demokratietheoretische grundlagen- und anwendungsbezogene Forschung sowie die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit gesamtgesellschaftlichen, aktuellen politischen wie auch historischen Entwicklungen sein. Das Anknüpfen an die bestehenden Strukturen des Demokratiezentrums soll dabei zu Synergien und einer größeren Sichtbarkeit im Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus führen. Zudem werden die bestehenden Forschungsprojekte des Demokratiezentrums in diesem neuen Bereich sichtbar zusammengeführt.

Drei wissenschaftliche Teilprojekte

Der Forschungsbereich am Demokratiezentrum widmet sich folgenden drei Teilprojekten, was die Forschungsaufgaben und -vorhaben betrifft:

  1. Demokratie und ihre Gefährdung von rechts in Hessen (DemoGIS Hessen)
    Dieses Projekt basiert auf einem webbasiertes Geoinformationssystem (GIS), das in Kooperation mit Prof. Bernd Belina (Goethe-Universität Frankfurt) 2020 bis 2021 entwickelt wurde. Im „DemoGIS“-Projekt wurden verschiedene öffentlich zugängliche Daten (aktuelle und historische Wahlergebnisse, sozioökonomische Daten, Vorfälle mit einem rechtsextremen Hintergrund, Aktivitäten der sechs teilnehmenden „Partnerschaften für Demokratie“) auf Kreis-, Gemeinde- und z. T. Ortsteilebene in Hessen zusammengeführt und in Karten visualisiert. Auf Ebene der Grundlagenforschung können nun damit empirische Vertiefungsstudien zu spezifischen raumbezogenen Ausprägungen von Rechtsextremismus und Demokratiefeindlichkeit in Hessen erstellt werden. Auf Ebene der anwendungsorientierten Forschung sollen spezifische raumbezogene Forschungen zur Entwicklung von Konzepten/Aktivitäten für die Präventionsarbeit von lokal/regional tätigen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Trägern durchgeführt werden.
  2. Vertiefende Analyse von dokumentierten Beratungsfällen
    Die Teams der Mobilen, der Opfer- und der Distanzierungsberatung in Hessen dokumentieren ihre Beratungstätigkeiten im Kontext Rechtsextremismus nach einem standardisierten Verfahren in einer Datenbank. Aufgrund dieser Daten veröffentlicht das Demokratiezentrum jährlich eine Übersichtsauswertung (z.B. im Jahresbericht). Zudem stellen die Daten eine wichtige Grundlage für das Demokratiezentrum für weitere Forschungsaktivitäten dar. Mithilfe des neuen Forschungsbereichs kann nun diese Forschung, die auf den ausgewerteten Beratungsfällen beruht, intensiviert werden, wie zum Beispiel empirische Vertiefungsstudien zu konkreten Handlungsfeldern der Mobilen Beratung, beratungsbezogene Prozessanalysen und methodologisch-methodische Klärungen. In Kooperation mit den Beratungsteams können ferner anwendungsorientierte Forschungen durchgeführt werden, um die verschiedenen Beratungsangebote weiterzuentwickeln.
  3. Forschungen zu Rassismus in Hessen im schulischem und außerschulischem Kontext
    Vorfälle mit einem rassistischen Hintergrund sind immer häufiger Anlass für Beratungsanfragen. Auch Vorfälle mit einem Alltagsbezug, etwa in Schulen oder in Kindertagesstätten, nehmen einen größeren Raum ein. Mit Blick auf die Anbindung des Forschungsbereichs im Demokratiezentrum Hessen an den Fachbereich Erziehungswissenschaften der Philipps-Universität Marburg konzentrieren sich Forschungsvorhaben zum Thema Rassismus auf den schulischen und außerschulischen Kontext und knüpfen auch hier an Vorarbeiten des Demokratiezentrums an, z. B. zum Umgang mit Rechtsextremismus und Rassismus im Schulalltag oder zur Frage von haltungsbezogener Grundlage zum Umgang mit Diskriminierung, Rechtspopulismus und Rassismus in der Schule.

Masterstudiengang „Beratung im Kontext Rechtsextremismus“

Zu dem Forschungsbereich zählt außerdem der vom Demokratiezentrum entwickelte und von ihm  durchgeführte weiterbildende Masterstudiengang „Beratung im Kontext Rechtsextremismus“, der seit dem Wintersemester 2022/2023 angeboten wird. Der Studiengang bietet Fachkräften der Mobilen Beratung und angrenzender Beratungsfelder – bundesweit in dieser Form bislang einmalig – eine fundierte universitäre Weiterbildung, die Wissenschaft und Praxis verknüpft. (siehe https://beratungsnetzwerk-hessen.de/weiterbildung/studium-beratung-im-kontext-rechtsextremismus/

Evaluation des Modellprojekts „Sport und Flüchtlinge“ (2014)

Das Projekt „Sport & Flüchtlinge“ der Sportjugend Hessen verfolgt das Ziel, die Möglichkeiten und Grenzen von Sportvereinen bei der Integration von Flüchtlingen und der Gestaltung einer so genannten „Willkommenskultur“ auszuloten. Das Projekt hatte einen
Förderzeitraum von 07.10.2014 -31.12.2014 und wurde als Modellprojekt im Themencluster „Zusammenleben in der Integrationsgesellschaft“ durch das Bundesprogramm „Toleranz
Fördern – Kompetenz Stärken“ beim Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert.
Das Modellprojekt „Sport und Flüchtlinge“ fokussiert auf die Potentiale örtlicher Sportvereine für die Schaffung einer Willkommenskultur ebenso wie auf die Bearbeitung möglicher
hinderlicher Ressentiments im Vereinsgeschehen. Folgerichtig werden als Hauptziele im Modellprojekt formuliert:

  • Sportvereine dabei zu unterstützen, einen zentralen Integrationsbeitrag im Rahmen einer
    lokalen Willkommenskultur zu leisten und
  • Ressentiments von Vereinsmitgliedern gegenüber Flüchtlingen vorzubeugen.

Rote Linie – Hilfen zum Ausstieg vor dem Einstieg (2009-2014)

Projektleitung und wissenschaftliche Begleitung für das Modellprojekt; mehr

Jugendfeuerwehren strukturfit für Demokratie (2009-2010, abgeschlossen)

Wissenschaftliche Begleitung des Modellprojekts „Jugendfeuerwehren strukturfit für Demokratie“ der deutschen Jugendfeuerwehr, gefördert durch das Bundesprogramm „kompetent. für Demokratie“; mehr…[ Jugendfeuerwehren strukturfit für Demokratie

Die Deutsche Jugendfeuerwehr (DJF) hat sich im Rahmen des Modellprojektes „Jugendfeuerwehren strukturfit für Demokratie“ mit Rechtsextremismus und mit Maßnahmen zur Förderung von Demokratielernen befasst. Das Projekt wurde im Rahmen des Bundesprogramms „kompetent. für Demokratie – Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus“ vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert und hatte eine Laufzeit vom 01.10.2008 bis zum 31.12.2010.

Das Projekt bestand aus den Säulen bzw. Modulen „Bildung“ (Ausbildungsmodul Jugendleitercard „JuLeiCa“) und „Kommunikation“ („Klingelknopf“). Mit dem entwickelten „Bildungsmodul“ sollten Multiplikatoren (Jugendfeuerwehrwarte, Betreuer) im Rahmen der JuLeiCa im Umgang mit Rechtsextremismus ausgebildet und geschult werden, „um selbständig und verantwortungsvoll auf undemokratische Aktivitäten in ihren örtlichen Strukturen zu reagieren“. Das Klingelknopf-Modul hatte den Anspruch ein innerverbandliches Unterstützungssystem nach Vorkommnissen mit fremdenfeindlichen und/oder rechtsextremen Hintergrund in der Feurwehr anzubieten, ggf. mit Unterstützung von Experten der mobilen Beratung. Zur Website des Projekts „Jugendfeuerwehren strukturfit für Demokratie“]

Rechte Jugendcliquen in Hessen (2007, abgeschlossen)

Replikationsstudie zur Erhebung aus dem Jahr 2001; mehr…[ Forschungsprojekt: Rechte Jugendcliquen in Hessen

Zusammen mit Prof. Dr. Benno Hafeneger führte ich die Replikationsstudie zur gleichnamigen Erhebung aus dem Jahr 2001 durch. Rechte Jugendcliquen sind mit ihrem Stil, ihrer Musik, ihren Protestformen und Einstellungen zu einem Bestandteil der deutschen Jugendkultur geworden. Sie stellen Politik, Zivilgesellschaft und Pädagogik vor Herausforderungen, die für die demokratische Entwicklung, politische Kultur und das soziale Klima des Zusammenlebens von besonderer Bedeutung sind. Die zweite „Hessenstudie 2007“ untersucht erneut nach der ersten Hessenstudie aus dem Jahr 2001 die Erscheinungs- und Handlungsformen von rechten Jugendcliquen und geht der Frage nach, ob es sich um ein episodales oder um ein längerfristiges, sich verstetigendes Phänomen handelt. Dabei wirft die Studie einen besonderen Blick auf politische und pädagogische Reaktionen und Umgangsformen in hessischen Kommunen.

Forschungsprojekt in Kooperation mit der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung, Hessischen Städte- und Gemeindetag, Hessischer Städtetag, Hessischer Landkreistag; 03/2007 – 11/2007]

Ein normales Familienleben (2004-2007, abgeschlossen)

Interaktion und Kommunikation zwischen „rechten“ Jugendlichen und ihren Eltern; mehr…[ Forschungsprojekt: Ein normales Familienleben

Interaktion und Kommunikation zwischen „rechten“ Jugendlichen und ihren Eltern

In der öffentlichen Diskussion über rechtsextremistische Einstellungen bei Jugendlichen sind die Schuldigen schnell ausgemacht: Sowohl die Ursachen als auch die Lösungskompetenz werden häufig im Elternhaus gesucht. Tatsächlich liegen zahlreiche Forschungsbefunde dazu vor, welchen Beitrag die Familie in der politischen Sozialisation leistet. Allerdings bestehen kaum Kenntnisse darüber, wie innerhalb der Familie mit einer bereits vorhandenen „rechten“ Orientierung eines Jugendlichen umgegangen wird: Welche Rolle spielt die Übereinstimmung zwischen Eltern und Jugendlichen in den politischen Einstellungen? Treten Konflikte zwischen Jugendlichen und ihren Eltern auf und wie sehen dabei elterliche Interventionsstrategien aus? Welchen Einfluss können (und wollen) Eltern im Vergleich zu anderen Sozialisationsagenten in einer Phase der Loslösung überhaupt ausüben?

Ausgehend von Untersuchungen verschiedener theoretischer Konzepte zum Sozialisationsort Familie und zu Rechtsextremismus werden in dieser Studie anhand der Analyse von qualitativen Interviews mit rechtsorientierten Jugendlichen und Eltern verschiedene „typische“ Räume der familialen Interaktion und Kommunikation untersucht und miteinander verglichen.

Dissertationsprojekt im Rahmen des Graduiertenkollegs „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ der Universitäten Marburg und Bielefeld; 02/2004 – 03/2007]